Bad Artist I

Ruth Hutter Bad Artist I

Bad Artist I, 2008,
Video 2.03 Min., Loop, Sound
Flatscreen: Hochkant
http://www.ruthhutter.de/rh/Bad_Artist_I.html

 

„Weil man mit Eiern auf Menschen schmeißt, die man scheiße findet.“ – Ruth Hutter

 

Sie blickt geradeaus in die Kamera. Close-Up. Viele Stimmen, die gleichzeitig laut rufen, der Knall einer Explosion oder ein Schuss, die Stimmen rufen weiter, noch lauter, noch mehr durcheinander. Beschimpfungen. Dann ein rohes Ei, noch ein Ei, noch eines und viele mehr, die sie im Gesicht treffen. Sie schaut weiter nach vorne, öffnet unter den zerbrochenen Eiern immer wieder ihre Augen und blickt durch klebriges Eiweiß, verschmierten Dotter. Sie wehrt sich nicht. Schnappatmung. Die Stimmen rufen weiter ununterbrochen durcheinander, laut, fast schon brüllen sie. Sie stößt zwei hörbare Luftströme durch den Mund aus. Für eine Sekunde setzt das Stimmengewirr aus. Dann wird es wieder aufgenommen, in gleicher Lautstärke, dasselbe Chaos. Was rufen die Stimmen? Es sind wütende Stimmen, sie sind empört, entsetzt. Widersetzen. Abneigung. Unverständnis. Die Eier fliegen weiter und zerschlagen auf der Stirn, auf dem linken Auge, an der Nase; Eigelb und Eiweiß fließen hinunter, bedecken bald das ganze Gesicht. Sie nimmt es hin, blickt geradeaus. Zuckt zusammen, bleibt aber aufrecht und nach vorne gewandt sitzen. Sie zuckt wieder, mit jedem Ei, das an ihrem Kopf schmerzhaft zerbricht. Fade-out der Stimmen. Sie kneift beide Augen fest zu. Das ist doch hier kein Traum, das ist die blanke Realität! – Sauberes Gesicht, ihre linke Hand streicht sanft über Stirn, Wangen und Kinn.

 

Die Künstlerin scheitert. Keine Anerkennung für ihr Werk. Einmal zu versagen, das kann vorkommen, mehrmals zu versagen ist auf die Dauer schmerzhaft. Die Angst vor dem Scheitern. Heute Erfolg, morgen Misserfolg.
Die Künstlerin fragt sich, was sie denn noch machen soll, damit die Leute ihre Kunst ansehen und sich mit ihr auseinandersetzen?

 

Die Künstlerin Ruth Hutter erklärt in unserem Interview: „Ich habe mich [in dem Video] tatsächlich schlecht gefühlt. Und es ist [nicht] gespielt. Es hat nicht wehgetan, aber es fühlte sich nicht gut an. […] Da habe ich gedacht: Leckt mich alle!“
Im Gespräch mit ihr erfahren wir, dass es wichtig ist, loszulassen, dieses „ganz starke Wollen nach etwas“ abzustellen.

Diese recht spontan entstandene Arbeit war auch international sehr erfolgreich und gewann im Jahr der Entstehung sogar den Biennale Videopreis On Europe – 1.a Bienal Internacional de Montijo, Portugal.

Manchmal zeigt Ruth Hutter das Video ihren SchülerInnen im Unterricht.
Mit ihrer authentischen und doch einfachen Arbeit hat Ruth Hutter genau ins Schwarze getroffen – wie die Eier ins Gesicht.

/HS

Video: http://www.ruthhutter.de/rh/Bad_Artist_I.html (Zugriff: 20.03.2015)
Foto: Lorenz, Ulrike: Fremde Heimat. Kunst in Baden-Württemberg. S. 149.
Die Zitate sind aus unserem Gespräch mit Ruth Hutter vom 13.2.2015.

 

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